13. August 2025

Verbleib ungeklärt: Die Kunstsammlung der Dresdner Familie Wollf. Teil 3

Die Kunstsammlung der Dresdner Familie Wollf

Die Kunstsammlung der Dresdner Familie Wollf galt einst als eine der bedeutendsten der Stadt. Heute ist sie fast völlig verschwunden. Teil 3, von Barbara Bechter, Provenienzforscherin im Kunstgewerbemuseum und in der Porzellansammlung

Das Ehepaar Wollf in den Jahren 1933 bis 1942

Obwohl Julius Ferdinand Wollf früh konvertierte und sich selbst als evangelisch bezeichnete, wurde er nur wenige Wochen nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 aus dem Amt gedrängt und mit einem Berufsverbot belegt. Schrittweise erfolgte sein Ausschluss vom gesamten kulturellen Leben der Stadt, das von ihm so geliebte Theater durfte er nicht mehr betreten. In einem Brief an seinen engen Freund, den Schriftsteller Herbert Eulenberg, beschreibt Wollf im Juli 1938 die Situation in Dresden und die zunehmende soziale Isolation des Ehepaares: „Unser seelischer Zustand liegt jenseits der Mitteilsamkeit. Es gibt keinen Ort, wo wir uns einmal erholen und aufatmen können. Unsere leichtere Stunde kommt, wenn wir mit dem Buch im Bett liegen und auf die Wirkung der Schlafmittel warten, deren Grossverbraucher wir schon lange sind. Von Hauptmanns hab‘ ich in Jahr u. Tag nichts gehört und gesehen. Sonst bin ich ja unnützlich geworden u. erwarte nichts mehr von den Menschen, die mich bei ihren Lebzeiten zu finden wussten.“

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Stolpersteine
© Barbara Bechter, 2025
Stolpersteine für das Ehepaar Wollf in Dresden (Franz-Liszt-Straße / Ecke Wiener Straße)

„Judenhäuser“ und Alltagserfahrungen

Trotz ihres christlichen Glaubens musste auch das Ehepaar Wollf ab dem 1. Januar 1939 die Zweitnamen Israel und Sarah annehmen, die sie als Juden stigmatisierten. Das „Gesetz über die Mietverhältnisse von Juden“ vom April 1939 ließ die Kündigung eines Mietverhältnisses mit Juden bei anderweitiger Unterbringung zu. Jüdische Mitbürger mit eigenem Wohnraum wurden verpflichtet, wohnungslose jüdische Familien aufzunehmen. Dafür wurden im Herbst 1939 sogenannte „Judenhäuser“ festgelegt, davon betroffen war auch die Villa der Wollfs. Nach einer Aufstellung vom 30. Juni 1940 gab es zu dieser Zeit in Dresden 37 derartig genutzte Gebäude.

In diesen von den Nationalsozialisten konfiszierten „Judenhäusern“ wurden die jüdischen Einwohner der Stadt auf engstem Raum zusammengepfercht und von der Gestapo regelmäßig terrorisiert, geschlagen, getreten und angespuckt. Durch die im Januar 1942 beginnenden Deportationen der jüdischen Bewohner wurden die Häuser im nationalsozialistischen Jargon "leergewohnt". Victor Klemperer hat in seinen Tagebüchern, herausgegeben unter dem Titel „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten (1933–1945)“, unter dem 2. Juni 1942 einige der Verbote, Demütigungen und Schikanen für die jüdischen Mitbürger in Dresden aufgeführt. Verboten war beispielsweise die Nutzung von Radio, Telefon und Zeitschriften, der Besuch von Theater, Kino, Konzert und Museum, die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, Restaurants und Leibibliotheken, der Kauf von Tabakwaren und Blumen oder der Besuch des Friseurs. Zwangsweise abgeliefert werden mussten Schreibmaschinen, Wolldecken, Fahrräder und Haustiere. Es war verboten, den Bahnhof, die Markthallen, das Ministeriumsufer, die Parks oder die Straßen um den Großen Garten zu betreten. Einkäufe jedweder Art waren auf eine Stunde pro Tag begrenzt, nicht zugeteilt wurden Kleiderkarten, Fischkarten oder Sonderzuteilungen wie Kaffee, Schokolade, Obst und Kondensmilch. „Ich glaube, diese 31 Punkte sind alles. Sie sind aber alle zusammen gar nichts gegen die ständige Gefahr der Haussuchung, der Misshandlung, des Gefängnisses, Konzentrationslagers und gewaltsamen Todes.“

Beschlagnahme des Vermögens und der Tod der Eheleute Wollf

Die Beschlagnahme des Vermögens der Eheleute Wollf durch die Geheime Staatspolizei Dresden erfolgte am 19. Januar 1942. Von diesem Tag an hatte das Ehepaar Wollf keinerlei Verfügungsgewalt mehr über sein Vermögen. In mehreren Quellen werden die grauenhaften Hausdurchsuchungen und Misshandlungen des Ehepaares in dieser Zeit geschildert, so von Karl Laux, dem Musikredakteur der Dresdner Neuesten Nachrichten: „Dem alten, ungewöhnlich gebildeten Mann haben die Nazis dann schwer mitgespielt. Wir erfuhren es später von der Haushälterin der Wollfs. 1942 kamen die SS-Leute jeden Abend ins Haus und schrien: ‚Na, Ihr Schweine, lebt Ihr noch immer?‘ Dann schmissen sie seine so sehr geliebte Antiquitätensammlung an die Wand und bombardierten ihn mit seinem Meißner Porzellan.“

Das Ehepaar entschied sich, einen Tag vor der Deportation in den Tod zu flüchten. Julius Ferdinand Wollf verstarb am 27. Februar 1942, Johanna Sophie Wollf einen Tag später im Krankenhaus Dresden-Löbtau. Der Bruder Max Wollf hatte sich nur einen Monat vorher, im Januar 1942, das Leben genommen, um der drohenden Deportation nach Riga zu entgehen. Im Juli 1942 und März 1944 wählten auch Wollfs Schwestern in Koblenz und Berlin den Freitod – damit war die gesamte Familie ausgelöscht.

Am 12. November 1942 schickt der Nachlassverwalter des Ehepaares, Rechtsanwalt Poege, eine Aufstellung des Vermögens an die Geheime Staatspolizei Dresden mit dem Hinweis, dass laut gemeinschaftlichem Testament der Wollfs vom August 1941 die Schweizer Bürgerin, Anna Katharina Rehmann geb. Salten zu zwei Drittel und Johanna Wollfs Schwester, Gertrud Hausser in Berlin, zu einem Drittel die Erben seien. Im Fall des Todes der Schwester war deren Anteil ebenfalls an Anna Katharina Rehmann-Salten zu übertragen. 

Die Villa,

Die Villa, Wertpapiere und das Bankguthaben der Wollfs wurden auf 162.000 RM geschätzt, das „sonstige bewegliche Vermögen“ – darunter wohl die erhaltenen Kunstschätze – auf 36.000 RM. Durch Vermittlung der Gestapo erwarb der Kammersänger Mathieu Ahlersmeyer aus Köln die Villa mit einem Teil der Einrichtung für 66.000 RM. Bereits drei Monate vorher, im August 1942, waren einige Möbel, Gläser und Ostasiatica an das Kunstgewerbemuseum abgegeben worden. In allen anderen Dresdner Sammlungen ist in dieser Zeit kein Zugang von Gemälden der genannten Maler oder weiteren Kunstwerken mit dem Hinweis auf das Ehepaar Wollf nachweisbar. Daraus ist nur zu schließen, dass sich der überwiegende Teil der Sammlung Wollf aus dem 1942 verkauften „Mobiliarnachlass“ bisher unerkannt in anderen Museen oder privater Hand befindet.

Fünf verschiedene Stücke aus unterschiedlichen Materialien
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden und Koller, Zürich
Beispiele der 1942 beschlagnahmten und im Kunstgewerbemuseum Dresden inventarisierten Sammlung Wollf (Restitution 2008 und 2015)

Am 8. Dezember 1942

Am 8. Dezember 1942 wurden „sämtliche Vermögenswerte“ des Ehepaars Wollf per Anordnung Nr. 205 zur „Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ des sächsischen Innenministeriums zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Die im Testament benannten Haupterben und die anderen dort bedachten Personen erhielten nichts. Nach einem Schreiben des Oberfinanzpräsidenten Dresden / Vermögensverwertungsstelle vom 16. März 1943 an Rechtsanwalt Poege sei das von den Verstorbenen hinterlassene Testament „durch die zu Lebzeiten erfolgte Beschlagnahme des Vermögens rechtsunwirksam geworden.“

Die im Kunstgewerbemuseum inventarisierten Werke aus der Sammlung des Ehepaars Wollf wurden 2008 und 2015 an die rechtmäßigen Erben restituiert.

 

Wir haben so sehr gelitten, daß wir nicht mehr weiterleben wollen.

Dresden, den 24. Februar 1942

Prof. Julius Israel Wollf, Johanna Sophie Sarah Wollf

(Nachtrag zum Testament)

Dieser Artikel ist

Dieser Artikel ist der 3. Teil einer Reihe. Er ist ebenfalls in den Dresdner Neueste Nachrichten am 13. August 2025 veröffentlicht worden.

Zu diesem Thema ist auch erschienen: Barbara Bechter: „80 Jahre nach Kriegsende – Verbleib ungeklärt: Die Kunstsammlung von Johanna und Julius Ferdinand Wollf, Dresden", 2025, 44 Seiten. Volltext als PDF zum Download im Internet unter: https://retour.hypotheses.org/5421

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