12. April 2023

„Spannende Detektivarbeit“ — Ein Crashkurs in Provenienzforschung

Rückseite des Gemäldes Enthauptung der heiligen Reparata

„Und was studierst du eigentlich?“

In den verschiedenen Museen und Sammlungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden arbeiten und forschen neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Studierende zu ausgewählten Schwerpunkten der Museologie, der Kunstgeschichte oder auch im Bereich des Ausstellungsmanagements. An dieser Stelle präsentieren sie ihre Eindrücke.

„Und was studierst du eigentlich?“

„Und was studierst du eigentlich?“ Der Gesprächsverlauf ist meist ähnlich, ich antworte „Provenienzforschung“ und bin mir bereits im Klaren darüber, dass ich in wenigen Sekunden mein Studienfach kurzgefasst erläutern darf. Die Augen meines Gegenübers werden groß, entweder aus wahrhaftigem Interesse oder aus Unkenntnis — entgegen schallt mir nun die immer selbe Frage: „‘tschuldigung, wie war das nochmal?“ Und wie fast jedes Mal beginne ich geduldig einen Fragenkatalog zu beantworten, der „FAQ“s auf Websites gleicht. Immer wieder freue ich mich mit der Beantwortung von Fragen eine neue Person in den Bann von Kunst, Kultur, Geschichte, Archiven und Museen ziehen zu dürfen.

Was ist Provenienzforschung?

Was ist Provenienzforschung?

Im Grundlegenden handelt es sich bei Provenienzforschung um eine „Erstellung von Biografien für Kunst- und Kulturobjekte“. So befasst sich die Provenienzforschung mit der Herkunftsgeschichte von kunst- und kulturellen Gegenständen und versucht ungeklärte Fragen und Zusammenhänge zu untersuchen, wie beispielsweise: Woher stammt das Objekt? Wer war der/die ursprüngliche Eigentümer*in? In wessen Besitz befinden oder befanden sich die Güter? Auf welchem Weg veränderten sich die Objektstandorte?

Die Forschung

Die Forschung, so wie sie im universitären Kontext und an sammlungsführenden Institutionen wie Museen, Bibliotheken oder Archiven vorgenommen wird, unterteilt sich aktuell in drei Kategorien, die sogenannten Unrechtskontexte. Dabei handelt es sich um unrechtmäßige Enteignungen und Kulturgutentziehungen während der NS-Zeit, des Kolonialismus und in der Sowjetischen Besatzungszone sowie der DDR. Die Provenienzforschung beschäftigt sich nicht nur mit den aufgezeigten Missständen, sondern ermittelt auch unproblematische Erwerbungskontexte früherer Ankäufe.

Foto, Gruppenbild der Familie mit der Porzellansammlung
© Familie von Klemperer
Familie von Klemperer in der Wiener Straße 25 (v.l.: Victor, Gustav mit Peter Ralph, Charlotte mit Sophie Charlotte, Sophie, Frieda mit Lily, Ralph Leopold (sitzend), Herbert Otto), um 1911

Wie funktioniert Provenienzforschung?

Wie funktioniert Provenienzforschung?

Während sich Kunsthistoriker*innen bekannterweise mit den Vorderseiten, dem Sichtbaren beschäftigen, interessieren sich Provenienzforscher*innen im Speziellen für das Verborgene. So untersuchen die Forschenden meist die Rück- oder Unterseiten der Objekte und begeben sich auf eine historische Spurensuche. Die Kunst- und Kulturobjekte werden auf sogenannte Provenienzmerkmale hin untersucht. Dabei kann es sich um Wachssiegel, Gravuren, Exlibris in Büchern, Stempel, Etiketten von Kunst- und Antiquitätenhandlungen, aber auch um Widmungen oder lediglich (Inventar-)Nummern handeln.

Parallel zu der Untersuchung des Objektes werden Nachforschungen zu den ehemaligen Besitzer*innen und Eigentümer*innen vorgenommen. War das Kunstobjekt im Privatbesitz oder gehört es einem Museum? Wer war der/die ursprüngliche Eigentümer*in? Von wem wurde das Objekt erworben? Wo wurde es gekauft und wer verkaufte es? Zur Beantwortung der Fragen werden (Ausstellungs-) Kataloge, Aktenbestände, Unterlagen des Kunsthandels, aber auch private Dokumente wie Briefe, Tagebücher oder Fotografien ausgewertet. In Kombination mit Sekundärliteratur, Archivalien und weiteren Hinweisen wird eine Art „Lebenslauf“ für das jeweilige Kunst- oder Kulturobjekt rekonstruiert.

Die Forschung

Parallel zu der Untersuchung des Objektes werden Nachforschungen zu den ehemaligen Besitzer*innen und Eigentümer*innen vorgenommen. War das Kunstobjekt im Privatbesitz oder gehört es einem Museum? Wer war der/die ursprüngliche Eigentümer*in? Von wem wurde das Objekt erworben? Wo wurde es gekauft und wer verkaufte es? Zur Beantwortung der Fragen werden (Ausstellungs-) Kataloge, Aktenbestände, Unterlagen des Kunsthandels, aber auch private Dokumente wie Briefe, Tagebücher oder Fotografien ausgewertet. In Kombination mit Sekundärliteratur, Archivalien und weiteren Hinweisen wird eine Art „Lebenslauf“ für das jeweilige Kunst- oder Kulturobjekt rekonstruiert.

Rückseite des Gemäldes Enthauptung der heiligen Reparata
© Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut
Bernardo Daddi (1295–1348), Rückseite: Enthauptung der heiligen Reparata, um 1345 Tempera auf Holz, Gal.-Nr. 3577

Was sind die Aufgaben?

Was sind die Aufgaben?

Die Forschungsergebnisse der Provenienzforschung bilden das Fundament zur Aufklärung der häufig widerfahrenen, unrechtmäßigen Enteignungen der Besitztümer von Privatpersonen, Sammler*innen und Institutionen. Angestrebt wird die sogenannte Restitution der enteigneten Güter, also Rückübertragung an beispielsweise Erbengemeinschaften oder Privatpersonen. In manchen Fällen werden die Erben durch die Provenienzforscher*innen ermittelt und kontaktiert. Im Jahre 1998 wurden im Hinblick auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kunst- und Kulturgut länderübergreifende Grundsätze, die sogenannten „Washingtoner Prinzipien“, von über vierzig Staaten sowie NGOs verabschiedet.

Im Jahre 1998

Diese bilden eine Richtlinie um eine „gerechte und faire Lösung“ im Umgang mit den Kunst- und Kulturgütern zu ermöglichen. Bei dieser Lösung kann es sich um die Rückgabe des Kulturobjekts, eine gütliche Einigung oder Ausgleichzahlung handeln. Das 2015 gegründete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert Projekte in diesem Forschungsbereich. Die Stiftung berät und unterstützt beispielsweise bei der Abwicklung von Restitutionen oder bei Veröffentlichungen und gibt zusätzlich Handreichungen und Leitfäden für die Forscher*innen heraus.

Pressevertreter fotografieren ein Möbelstück
© Muzeum Pałacu Króla Jana III w Wilanowi
Rückgabe zweier Möbel aus dem Dresdner Kunstgewerbemuseum an das Schloss Wilanów bei Warschau, 2016

Wie ist die Vernetzung?

Wie ist die Vernetzung?

Eine Vernetzung zwischen Forschenden, Museen, Archiven etc. national und international ist unabdinglich. Ebenfalls ist ein weltweiter Zugang zu den Forschungsergebnissen sowie Such- und Fundangaben von Objekten wichtig. Dies geschieht durch Publikationen in Fachzeitschriften sowie Sammelbänden mit Hilfe der Arbeitskreis Provenienzforschung e.V. oder über Datenbanken wie: lostart, proveana und den Getty Provenance-Index.

Der kleine Crashkurs zur Provenienzforschung endet meist mit einem Lächeln meines Gesprächspartners und der freudigen Antwort „Das ist ja eine richtig spannende Detektivarbeit!“

Zur Provenienzforschung an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

Carla Maria Bender

Carla Maria Bender erlangte 2020 ihren Bachelorgrad im Fach Kunstgeschichte und Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Anschließend begann sie eben dort den noch jungen Masterstudiengang „Provenienzforschung und Geschichte des Sammelns“ zu studieren. Ihre Forschungsschwerpunkte und fachlichen Interessen liegen insbesondere auf dem Kunsthandel zwischen BRD und DDR sowie den Enteignungen in der Sowjetunion und der DDR. Im Rahmen des Studiums absolvierte sie im Februar/März 2023 ein Praktikum in der Abteilung Forschung bei dem Team der Provenienzforschung in den Sammlungen der Gemäldegalerie Alte Meister und dem Kupferstich-Kabinett.

Carla Maria Bender
© SKD, Foto: Carla Maria Bender
Carla Maria Bender

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