14. April 2021

Erinnerung leben: Der Kunstsammler Carl Heumann und seine Familie heute

Jakob Gensler, Mädchen mit Papagei

Intro

In den Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden werden systematisch die Provenienzen sämtlicher Zugänge von Kunstwerken seit 1933 untersucht. Im Rahmen des Recherche-, Erfassungs- und Inventurprojekts "Daphne" erforschen Wissenschaftler*innen dabei die Herkunft von Objekten und bereiten gegebenenfalls ihre Restitution an die ehemaligen Eigentümer bzw. deren Erben vor. An dieser Stelle stellen Mitarbeiter*innen ihre Arbeit vor.

Im Jahr 2020

Im Jahr 2020 restituierten die SKD drei grafische Arbeiten aus dem Kupferstich-Kabinett an die Familie von Carl Heumann (1886–1945). Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie konnte die Übergabe von zwei aquarellierten Zeichnungen mit religiösen Motiven von Peter Fendi (1796–1842) und einer Ölstudie eines Mädchens mit Papagei von Jakob Gensler (1808–1848) an die in den USA und Großbritannien lebenden Nachkommen des früheren Eigentümers noch nicht erfolgen.

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Die drei Werke

Die drei Werke aus der Grafiksammlung des Chemnitzers Bankiers und Konsuls Carl Heumann wurden im Mai 1944 für den „Sonderauftrag Linz“ vom Leipziger Kunstantiquariat C.G. Boerner erworben. Durch die Tätigkeit der Galeriedirektoren Hans Posse (1879–1942) und Hermann Voss (1884–1969) als Sonderbeauftragte war Dresden seit 1939 eng mit der Beschaffung von Kunstwerken für das von Adolf Hitler geplante „Führermuseum“ verknüpft gewesen. Ein Teil der erworbenen Kunstwerke wurde auf unrechtmäßige Weise ihren Eigentümer*innen entzogen, d.h. beschlagnahmt, oder musste von diesen unter Zwang verkauft werden. Einige der für diesen „Sonderauftrag“ zusammengetragenen Werke verblieben 1945 kriegsbedingt in Dresden.

Die Forschung

Die Forschung zu Carl Heumanns Biographie und seinem Schicksal in der NS-Zeit hatte ergeben, dass er aufgrund seiner jüdischen Herkunft zu den rassistisch Verfolgten gehörte. Im Jahr 1938 verlor er seine Anstellung in seinem eigenen Bankhaus, er musste die „Judenvermögensabgabe“ zahlen und durfte seine finanziellen Angelegenheiten nicht mehr selbst verwalten, da eine „Sicherungsanordnung“ über sein Vermögen ergangen war. Nach dem Tod seiner nicht-jüdischen Frau Irmgard im Januar 1944 entfiel sein Schutz vor weiteren Verfolgungen. Er verkaufte bald darauf die drei Grafiken von Fendi und Gensler zwangsweise, um den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen. 

Carl Heumann (Mitte) mit Familie, um 1940
© Fotograf unbekannt
Carl Heumann (Mitte) mit Familie, um 1940

Carl Heumann

Carl Heumann kam am 5. März 1945 bei einem Bombenangriff in Chemnitz ums Leben. Zwei seiner Kinder – Thomas und Ulrike – gingen nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA, wo ein Großteil der Nachfahren Carl Heumanns noch heute lebt.

Anlässlich

Anlässlich des Tages der Provenienzforschung, der am 14. April 2021 bereits zum dritten Mal begangen wird, führten Melanie Wittchow, Provenienzforscherin in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München, und Katja Lindenau, Provenienzforscherin am Kupferstich-Kabinett Dresden, ein Interview mit Carol Heumann Snider. Darin spricht die Enkelin des Kunstsammlers Carl Heumann über ihre Familiengeschichte, die Bedeutung von Provenienzforschung und Restitution für die Erinnerungskultur und ihre persönlichen Erlebnisse mit Kunstwerken aus Carl Heumanns Sammlung.

Thomas Heumann (2. von links) mit seinen Kindern (2008)
© Foto: Ulrike Heumann Hanley
Thomas Heumann (2. von links) mit seinen Kindern (2008)

Auf das Schicksal Heumanns

Auf das Schicksal Heumanns, der als Kunstsammler und Mäzen die Kultur in Chemnitz viele Jahre mitgeprägt hatte, weist das am 19.März 2021 – dem 135. Geburtstag von Carl Heumann – geführte Gespräch eindrücklich hin. Es kann auf der Website des Lenbachhauses in Englisch angehört und in einer gekürzten Übersetzung in Deutsch nachgelesen werden.

Zum Interview

Telefonkonferenz (von links oben im Uhrzeigersinn): Robin Knapp (Medienproduzent), Dr. Katja Lindenau (SKD), Carol Heumann Snider, Melanie Wittchow (Lenbachhaus München)
Telefonkonferenz (von links oben im Uhrzeigersinn): Robin Knapp (Medienproduzent), Dr. Katja Lindenau (SKD), Carol Heumann Snider, Melanie Wittchow (Lenbachhaus München)

Video

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Was uns Kunstwerke über ihre Herkunft verraten — Mädchen mit Papagei von Jakob Gensler

Links

Weitere Informationen und Einblicke in ihre Familiengeschichte und -forschung gibt Carol Heumann Snider in ihren Blogs:

www.northwestladybug.com

lettersfromomi.blogspot.com

Dr. Katja Lindenau

Dr. Katja Lindenau ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im „Daphne“-Projekt der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und verantwortlich für die Provenienzrecherche im Kupferstich-Kabinett.

Katja Lindenau mit Teilnehmern des Deutsch-Amerikanische Austauschprogramms zur Provenienzforschung für Museen (PREP)
© SKD, Foto: Andreas Diesend
Katja Lindenau mit Teilnehmern des Deutsch-Amerikanische Austauschprogramms zur Provenienzforschung für Museen (PREP) März 2019, Dresden, Sektion Grafik/ „Sonderauftrag Linz“

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03.05.2021 | Hedwig Döbele (vormals Galerie Döbele Dresden)

Kennen Sie die Publikation "Eigentum verpflichtet", Neofelis-Verlag Berlin 2020 mit dem Beitzrag von Julia Eßl".. wie sich das Schicksall unserer Sammlung endgültig gestaltet. Die Sammlung Heumann, Chemnitz", S. 151-161? Wenn nicht, kann ich Ihnen ein Exemplar senden. Es ist dies eine Publikation zur Tagung zu Provenienzforschung im Zeppeoin-Museum Friedrichshafen 1918.

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