25. November 2021

Einblicke in die Provenienzforschung der Gemäldegalerie Alte Meister

Intro

In den verschiedenen Museen und Sammlungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden arbeiten und forschen neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Studierende zu ausgewählten Schwerpunkten der Museologie, der Kunstgeschichte oder auch im Bereich des Ausstellungsmanagements. An dieser Stelle präsentieren sie ihre Eindrücke.

Während meines Praktikums

Während meines Praktikums an der Gemäldegalerie Alte Meister, die im Februar 2020 nach langjähriger Sanierung wiedereröffnet wurde, konnte ich viele Erfahrungen in der praktischen Museumsarbeit sammeln. Im Fokus standen unter anderem das Einräumen der Galerieräume mit Kunstwerken sowie die Erstellung von Raumplänen und die Neuplanung eines Besucherleitsystems in der Gemäldegalerie. Neben diesen Tätigkeiten konnte ich insbesondere Einblicke in die Sammlungsgeschichte und damit auch in die Provenienzforschung gewinnen, beispielsweise durch die Transkription von Ein- und Auslagerungslisten von Kunstwerken während des Zweiten Weltkriegs. Bei einem Vernetzungstreffen diskutierten Provenienzforscher*innen aus verschiedenen Museen Fallbeispiele, und ich konnte einen guten Eindruck von diesem Forschungsfeld bekommen.

Gemeinsam mit Dr. Thomas Rudert

Gemeinsam mit Dr. Thomas Rudert, Sammlungshistoriker bei den SKD, und Carina Merseburger, Provenienzforscherin an der Gemäldegalerie Alte Meister, habe ich ein Thema für meine Bachelorarbeit im Bereich der Sammlungsgeschichte bzw. der Provenienzforschung entwickeln können. Die Arbeit mit dem Titel „Provenienzforschung in der Praxis. Recherchen zu besatzungshoheitlichen Enteignungen der Bodenreform in der SBZ am Beispiel des Bestandes ‚Kreissammelort Görlitz‘ der Gemäldegalerie Alte Meister Dresden“ ordnet zunächst im Rahmen einer Kontextualisierung die Enteignungen von Kunst- und Kulturgütern in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) samt ihren sammlungsgeschichtlichen und rechtlichen Konsequenzen ein.

So wurden allein in Sachsen

So wurden allein in Sachsen 1.115 Schlösser und Gutshäuser – und damit einhergehend tausende Kunst- und Kulturgüter – im Zuge der Bodenreform enteignet (sogenannte Schlossbergung), und die Werke gelangten in der Folge unter anderem zu den Dresdner Sammlungen. Eine Vielzahl von Objekten wurde jedoch zunächst in Aufbewahrungsorten in den Kreisstädten, sogenannte Kreissammelorte, zwischengelagert. Bereits hier wurden Listen mit Angaben zu Objekten angelegt, die heute als wichtige Quellen dienen (sogenannte Schlossbergungslisten). Leider ist bereits damals Kenntnis darüber verloren gegangen, aus welchem konkreten Schloss das jeweilige Kunstwerk stammte. Erst in den Folgejahren wurden die Objekte dann schließlich einem Museum zugewiesen oder verkauft. Die Erforschung dieses Kontextes und der durch die Schlossbergung an die Museen gelangten Objekte dauert bis heute an.

Die Erläuterung der praktischen Abläufe

Die Erläuterung der praktischen Abläufe der Provenienzforschung, beginnend mit der Sichtung der Gemälde im Depot und den Dokumentationsvorgängen in der Daphne-Datenbank bis zur Recherche mit verschiedenen Quellen, bilden einen weiteren Abschnitt meiner Arbeit. Die Forschungsergebnisse von insgesamt fünf exemplarischen Gemälden werden vorgestellt. Bei diesen Gemälden handelt es sich um Porträts unbekannter Künstler*innen sowie um das Stillleben „Eine Fruchtschale mit Glaskrug und aufgeschnittener Melone“ von Georg Hainz. Neben den inhaltlichen Recherchen zielte die Bachelorarbeit auch auf die allgemeine Darstellung der wissenschaftlichen und verwaltungstechnischen Abläufe bei derartigen Provenienzforschungen ab.

Die auf diesem Gemälde dargestellte

Die auf diesem Gemälde eines unbekannten Künstlers dargestellte Person lässt sich als Graf Carl Gustav Wrangel (1613–1676) identifizieren. Anhand von verschiedenen Provenienzmerkmalen, wie z.B. einem auf der Rückseite des Bildträgers befestigten Papieraufkleber mit der Aufschrift „Kunnersdorf / Bilder / Nr. 5“ in Kombination mit den in den Schlossbergungsquellen angegebenen Maßen, der Technik und der Beschreibung lässt sich nachweisen, dass dieses Gemälde nach dem 8. Mai 1945 in Folge der Bodenreform über den Schlossbergungssammelort Görlitz zu den Dresdner Sammlungen gekommen ist und sich zuvor sehr wahrscheinlich auf dem Rittergut Kunnersdorf im Eigentum der Wrangels befunden hatte.

© Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Graf Carl Gustav Wrangel

Wie aufwendig die entsprechende

Wie aufwendig die entsprechende Recherche zu einem Objekt sein kann, zeigt das Gemälde „Eine Fruchtschale mit Glaskrug und aufgeschnittener Melone“ von Georg Hainz. So wird in den Schlossbergungsquellen zwar ein Früchtestillleben mit übereinstimmenden Maßen erwähnt, doch wird dort ein anderer Künstler geführt, und es ist die Rede von einem schwarzen Rahmen. Die Einsicht in die Restaurierungsakte des Gemäldes ergab zudem, dass im Jahr 1961 restauratorische Maßnahmen vorgenommen wurden. Dabei wurden Zettel, die sich auf der Rückseite des Bildes befanden – und die vielleicht mehr Informationen zur Herkunft des Gemäldes hätten geben können – entfernt. Als Rechercheergebnis lässt sich lediglich festhalten, dass auch dieses Gemälde wahrscheinlich in Folge der „Schlossbergung“ über den „Kreissammelort Görlitz“ nach Dresden gelangt ist. Einem konkreten Schloss lässt es sich bislang jedoch nicht zuordnen.

© Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Eine Fruchtschale mit Glaskrug und aufgeschnittener Melone

Für mich nimmt die Untersuchung der Objekte

Für mich nimmt die Untersuchung der Objekte im Museum und die Erforschung ihrer Herkunft bzw. die Erforschung von Objektbiografien eine wichtige Stellung in der Museumsarbeit ein.

So war im Rahmen der Abschlussarbeit der Aspekt der dokumentarischen Vorgehensweise der Arbeitsabläufe gleichermaßen wichtig wie die Kontextualisierung des geschichtlichen Rahmens und die angewandten Methoden der Provenienzforschung. Oftmals muss dieser Forschungszweig mit nur spärlichen Hinweisen auskommen, und entsprechende Wissenslücken sind zu akzeptieren. Die akribischen Arbeitsabläufe, um die Herkunft eines Objektes nachvollziehen zu können, machen für mich jedoch den Reiz der Arbeit aus. Gleichzeitig wird in der Provenienzforschung interdisziplinär gearbeitet, wobei kunsthistorische, geschichtswissenschaftliche und juristische Fragen miteinander verknüpft werden.

 

Helge Nies erlangte seinen Bachelorgrad

Helge Nies erlangte seinen Bachelorgrad im Fach Museologie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig. Schwerpunkte seines Studiums waren unter anderem der praktische Umgang mit Museumsobjekten und deren Erschließung mit wissenschaftlichen Methoden, die Dokumentation in Museumsdatenbanken, aber auch die Planung und Durchführung einer eigenen Ausstellung. Im Rahmen dieses Studiums absolvierte er zudem ein Pflichtpraktikum an der Gemäldegalerie Alte Meister Dresden und fand zugleich ein Thema für seine Abschlussarbeit.

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