7. Februar 2022

"Bei uns zu Gast" – Ohiniko Toffa zur Provenienz kolonialer Objekte aus Togo

ein Mann steht in weißem Kittel in einem Museumsdepot

Vorstellung

In dieser Reihe stellen wir Wissenschaftler*innen aus dem In- und Ausland vor, die in den Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu Gast sind, um vor Ort zu forschen. Ohiniko Toffa beschäftigt sich mit der Provenienz kolonialer Objektsammlungen aus der ehemaligen “Musterkolonie” Togo.

Bild

ein Mann sitzt in weißem Kittel in einem Museumsdepot
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
Ohiniko Toffa

Wer sind Sie und in welchem Bereich arbeiten/forschen Sie?

Herr Toffa, womit beschäftigen Sie sich aktuell?

Ich bin an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Provenienz kolonialer Objektsammlungen aus der ehemaligen “Musterkolonie” Togo angestellt. Das Projekt verfolgt das Ziel, die genauen Ewerbsumstände der Objekte abzuklären. Hier werden nicht nur die ethnographischen Dateien zu einzelnen Objekten in den Fokus gerückt, sondern auch deren Geschichte. Dies lässt sich nicht zuletzt durch die Sammlerbiografien und Lebensgeschichten erreichen.

Was hat Sie an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden geführt?

Die Sammlungsgeschichten sind Kolonialgeschichten. Darin liegt meine Interesse im Projekt und die Motivation, an den SKD zu arbeiten. Ich komme aus Togo und bin Kolonial- und Missionshistoriker. Die Museumsgeschichte in der deutschen Kolonialgeschichte ist ein bislang wenig erforschtes Gebiet.

Welches Objekt aus unseren Sammlungen hat es Ihnen besonders angetan und warum?

Welches Objekt aus unseren Sammlungen hat es Ihnen besonders angetan und warum?

Es ist nicht einfach hier ein bestimmtes Objekt zu erwähnen. Ich habe schon Schwierigkeiten das Wort “Objekt” bei diesen Götterrepräsentationen anzuwenden. Im Museumsdepot habe ich einen kulturellen Schatz aus meinem Heimatland entdeckt: Steine des Gewittergottes (Xèbyèsso), die es mir sehr angetan haben. “Xèbyèsso” ist in Togo ein Gott der Gerechtigkeit. Wenn jemand ein Problem hat oder Schmerzen durch andere erfährt, geht er zum 'Gewittergott' und sucht nach Gerechtigkeit. “Xèbyèsso” schlägt die Schuldigen dann mit den Steinen. Die Verehrer des Gottes gehen die Steine sammeln und bringe diese ins Gotteshaus. Viele dieser Steine habe ich hier in der Sammlung von Dr. Hans Gruner gefunden und frage mich, wieso sie hier sind.

Steine von „Xèbyèsso“ (Gewitter-Gott, Gott der Gerechtigkeit)
© Ohiniko Toffa
Steine von „Xèbyèsso“ (Gewitter-Gott, Gott der Gerechtigkeit)

Welches Museum in Dresden hat Sie besonders beeindruckt und weshalb?

Welches Museum in Dresden hat Sie besonders beeindruckt und weshalb?

Ich habe bisher keine Zeit gehabt, alle Museen der SKD zu besuchen. Ich war kurz in Dresden und jetzt forsche ich in Leipzig. Mir gefällt das GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig sehr.  

Welche Relevanz besitzt Ihr (Forschungs-)Vorhaben für die Gesellschaft?

Ein „Unlearning Process“ ist für eine multikulturelle Gesellschaft wichtig. Ich sehe einen großen Vorteil dieses Projektes in der Rassismusbekämpfung in Deutschland.

Die deutsche Kolonialgeschichte ist hierzulande sehr wenig bekannt. Dabei wirken die Konsequenzen bis heute sowohl in Deutschland als auch in den ehemaligen Kolonien nach.

Die rassistischen Positionierungen „schwarz“ und „weiß“ haben ihre Genese in der Geschichte des Sklavenhandels und der Kolonialzeit. Auch die Museen haben ihren Anteil: Ich entdeckte während meiner Recherchen große Interessen vonseiten der Museen während der deutschen Kolonialzeit. Die Museen haben an einer Wissensproduktion teilgenommen, die Rassenkategorien im deutschen Kaiserreich schuf. Diese kolonialzeitliche Epistemologie benötigt Revision, um dabei den Eurozentrismus, die koloniale Normativität abzubauen. Diese Normativität war eng mit der deutschen Nationalität in der Kolonialzeit verbunden.

Wie wird das Museum der Zukunft aussehen (und was bedeutet das für Ihre aktuelle Forschungstätigkeit)?

Wie wird das Museum der Zukunft aussehen (und was bedeutet das für Ihre aktuelle Forschungstätigkeit)?

Das Museum der Zukunft ist meiner Meinung nach unabdingbar ein postkoloniales Museum, besonders, was die sogenannten Völkerkundemuseen angeht. Es gibt viel zu tun. Auch die Museumswissenschaft, die Ethnologie, Anthropologie etc. sollten ihre kolonialrassistische Vergangenheit kritisch hinterfragen.

Ohiniko Toffa
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Tom Dachs
Ohiniko Toffa

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Kommentare


31.01.2024 | Prof. Dr. Anna Margaretha Horatschek, Akademie der Wissenschaften in Hamburg

Sehr geehrter Herr Dr. Toffa, da meine Mail an Ihre e-mailAdresse in den SKD als unzustellbar zurückkam, versuche ich es auf diesem Wege, Sie zu erreichen. als Sprecherin der Akademie-AG Gerechtigkeitsvorstellungen im globalen Vergleich/ Justice Concepts in Global Comparison an der Akademie der Wissenschaften in Hamburg möchte ich Sie hiermit sehr herzlich als Podiumsgast für eine Podiumsdiskussion am Mittwoch, den 19. Juni 2024 um 18:00 Uhr an der Universität Hamburg einladen. Erlauben Sie mir einige Hinweise zum Hintergrund dieser Veranstaltung: Die AG wurde 2022 gegründet und hat sich bislang in einem initiatorischen Workshop, einem internationalen Symposium sowie eingeladenen Vorträgen mit historisch und kulturell unterschiedlichen Konzeptionen von Gerechtigkeit befasst. Dazu gehörten u.A. Fragen der postkolonial-interkulturellen, der intergenerationellen und der Umweltgerechtigkeit. Nähere Informationen zu unserem Projekt finden Sie unter https://www.awhamburg.de/forschung/arbeitsgruppen/gerechtigkeitsvorstellungen.html In der Podiumsdiskussion 2024 möchte die AG der Öffentlichkeit unterschiedliche Gerechtigkeitskonzepte und ihre praktischen/ politischen Konsequenzen am Beispiel der Rückgabe der Benin-Bronzen durch wissenschaftlich fundierte Einschätzungen vorstellen und sie diskutieren. Es geht uns also nicht in erster LInie um die Benin-Bronzen, sondern um die den unterschiedlichen Handlungsempfehlungen zugrunde liegenden Gerechtigkeitskonzepte. Wir haben die Restitution der Benin-Bronzen als Beispiel gewählt, weil sich hier keine klaren Täter-Opfer-Schemata anwenden lassen - wobei die Entwicklungen der öffentlichen Debatte nach der Rückgabe die Komplexität doch größer gemacht haben, als wir das zunächst vermuteten. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir Sie als Podiumsgast gewinnen könnten. Ihre Expertise in der Provenienzforschung und Ihre Insistenz darauf, dass eine genaue Kenntnis der je spezifischen Umstände wichtig ist, um Fragen der Restitution angemessen zu behandeln, wäre ein sehr wichtiger Beitrag in den immer komplexer werdenden Restitutionsdebatten, in denen häufig unausgesprochene unterschiedliche Gerechtigkeitskonzepte aufeinander treffen. Die Akademie übernimmt selbstverständlich Ihre Reisekosten sowie eine Übernachtung in Hamburg. Ich freue mich auf Ihre - hoffentlich positive - Antwort. Mit herzlichem Gruß, Ihre A. Horatschek

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