Barbaras Geschichte
Gestatten, mein Name ist Pink, Mr. Pink. Ich mag Grün. Ich wurde grün gespritzt. Meine Bewohner lieben die Natur und sie gibt ihnen Kraft. Jetzt ganz besonders, weil die Natur sich nicht um Corona schert. Ich bin 21, war schon Reisemobil, Sechs-Quadratmeter-Wohnung und Filmstudio. Ich bin auch ein Star auf YouTube, weil man mich momentan nicht im Kino sehen kann. Martin und Teresa sagen, es wäre wegen der Pandemie. Gehen die Menschen deshalb gerade extreme Wege und werden sie nach der Pandemie auch noch so einfallsreich sein wie jetzt? Auf meinen extremen Wegen gab es mehrere Achsbrüche. Glücklicherweise konnte Martin überall Ersatzteile beschaffen und er war ziemlich einfallsreich. Wir konnten vielfältige Kontakte knüpfen, von denen manche noch immer halten, besonders die zu einer mongolischen Großfamilie.
Jetzt stehe ich in der Einsamkeit der brandenburgischen Pampa und bin mir der Zukunft sehr ungewiss.
Martin und Teresa hatten sich vor drei Jahren entschieden, mit mir 30.000 km durch Zentralasien ins "Nichts", ins Ungewisse, zu fahren. Was wir jedoch anstelle dessen dort fanden, war pralles Leben, Fülle, Gelassenheit, eine umwerfende Natur. Es mutet utopisch an in dieser sonst so digitalen Welt, aber wir trafen auf Menschen, die keinen Müll produzieren, die kein fließendes Wasser haben, für die Urlaub ein Fremdwort ist, die ihre Lebensmittel selbst herstellen, die kein Smartphone brauchen, um zu kommunizieren, die eins sind mit der Natur. Doch auch sie spüren den fortschreitenden Klimawandel. Die gastfreundliche Nomadenfamilie in der mongolischen Steppe, mit der wir einige Tage verbringen durften, hat es zunehmend schwerer, gutes Weideland für ihre Schafe, Ziegen und Pferde zu finden. Öfter als üblich müssen sie ihre Jurten woanders aufschlagen. Martin und Teresa haben beim Aufstellen der Jurten und beim Einfangen der Jungtiere geholfen. Das Melken der Stuten haben sie lieber den Frauen und Mädchen der Familie überlassen. Gemeinsam tranken sie manchen Becher Kumys, der in einem Ledersack gleich neben dem Eingang der Jurte aufbewahrt wird...
Zurückgekehrt aus Asien wollten wir Drei eigentlich an die Ostsee, doch wir schafften es nur 50 km weit bis nach Brandenburg. Dort entdeckten Martin und Teresa ein wunderbares Fleckchen Erde mit Heide, Birken und Kiefern, das sich irgendwie asiatisch anfühlte. Seitdem pendeln wir zwischen pulsierender Großstadt und idyllischer brandenburgischer Steppe. Als "triftiger Grund" für das Verlassen des Hauses in der jetzigen Krisenzeit gilt auch das Besuchen des eigenen Grundstücks. Martin und Teresa haben also alles richtig gemacht. Ihr "Zufluchtsort" jetzt und nach Corona scheint gesichert. Werden sich nach Corona noch mehr Menschen für ein autarkes Leben entscheiden, damit sie unabhängiger leben können? Werden sich die mongolischen Nomaden irgendwann für eine feste Wohneinheit entscheiden, sollte ihr Leben komplizierter werden?
Martin und Teresa wollen sich auf ihrem Stückchen Land jedenfalls selbst versorgen, pflanzen fleißig, befassen sich mit Perma-Kultur, mit Bewässerung durch Grabensysteme und mit Waldbaden. Alternative Lebensmodelle haben sie nachhaltig geprägt. Sie werden ihr Leben verändern. Eine klassische mongolische Jurte würden sich Martin und Teresa auch gern aufbauen. Vor Kurzem haben sie sich deshalb noch einmal die Jurte im Leipziger Völkerkundemuseum angesehen. Vielleicht wird aber gerade diese Jurte bald nur noch als ehernes Relikt vergangener nomadischer Zeiten in Zentralasien mit besonderer Ehrfurcht im GRASSI zu besichtigen sein?