„Judenhäuser“ und Alltagserfahrungen
Trotz ihres christlichen Glaubens musste auch das Ehepaar Wollf ab dem 1. Januar 1939 die Zweitnamen Israel und Sarah annehmen, die sie als Juden stigmatisierten. Das „Gesetz über die Mietverhältnisse von Juden“ vom April 1939 ließ die Kündigung eines Mietverhältnisses mit Juden bei anderweitiger Unterbringung zu. Jüdische Mitbürger mit eigenem Wohnraum wurden verpflichtet, wohnungslose jüdische Familien aufzunehmen. Dafür wurden im Herbst 1939 sogenannte „Judenhäuser“ festgelegt, davon betroffen war auch die Villa der Wollfs. Nach einer Aufstellung vom 30. Juni 1940 gab es zu dieser Zeit in Dresden 37 derartig genutzte Gebäude.
In diesen von den Nationalsozialisten konfiszierten „Judenhäusern“ wurden die jüdischen Einwohner der Stadt auf engstem Raum zusammengepfercht und von der Gestapo regelmäßig terrorisiert, geschlagen, getreten und angespuckt. Durch die im Januar 1942 beginnenden Deportationen der jüdischen Bewohner wurden die Häuser im nationalsozialistischen Jargon "leergewohnt". Victor Klemperer hat in seinen Tagebüchern, herausgegeben unter dem Titel „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten (1933–1945)“, unter dem 2. Juni 1942 einige der Verbote, Demütigungen und Schikanen für die jüdischen Mitbürger in Dresden aufgeführt. Verboten war beispielsweise die Nutzung von Radio, Telefon und Zeitschriften, der Besuch von Theater, Kino, Konzert und Museum, die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, Restaurants und Leibibliotheken, der Kauf von Tabakwaren und Blumen oder der Besuch des Friseurs. Zwangsweise abgeliefert werden mussten Schreibmaschinen, Wolldecken, Fahrräder und Haustiere. Es war verboten, den Bahnhof, die Markthallen, das Ministeriumsufer, die Parks oder die Straßen um den Großen Garten zu betreten. Einkäufe jedweder Art waren auf eine Stunde pro Tag begrenzt, nicht zugeteilt wurden Kleiderkarten, Fischkarten oder Sonderzuteilungen wie Kaffee, Schokolade, Obst und Kondensmilch. „Ich glaube, diese 31 Punkte sind alles. Sie sind aber alle zusammen gar nichts gegen die ständige Gefahr der Haussuchung, der Misshandlung, des Gefängnisses, Konzentrationslagers und gewaltsamen Todes.“